Im Februar führten wir über 4 Tage ein interreligiöses Training mit Teilnehmer:innen unseres Jugendnetzwerks für Frieden und Dialog in der Kurdischen Autonomieregion des Irak durch. Die verschiedenen Religionsgemeinschaften Kurdistans und des Irak waren unser Schwerpunkt. Wir setzten uns auseinander mit dem Glauben der Jesiden, der Kaka’i/Yarsan, der Zoroastrier, der Sabäer-Mandäer, der drei abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam), der Shabak, der Haqqa und derjenigen, die nicht glauben.
Die Einheiten wurden von Dr. Hawre Zangana geleitet. Er ist Theaterwissenschaftler und Pädagoge und organisiert interkulturelle und interreligiöse Projekte mit Jugendlichen und Erwachsenen. Auch wenn wir im begrenzt verfügbaren Zeitrahmen der großen Vielfalt und der Komplexität der Inhalte nur sehr bedingt gerecht werden können, war es Dr. Zangana wichtig, „ein kleines Licht auf diese vielen Religionen zu werfen, bevor wir uns dann vor Ort intensiv damit beschäftigen.“
Wie entstanden diese Gemeinschaften über die letzten Jahrtausende und woran glauben sie? In welchem Kontext sind sie entstanden und unter welchen Bedingungen üben sie ihren Glauben aus? Welche Rituale stehen in ihrem Glauben im Vordergrund?
Beteiligt waren auch verschiedene Vertreter dieser religiösen Gemeinschaften, die uns von ihrem Glauben und ihrer Praxis berichteten. Unterstützt wurden sie von Teilnehmer:innen des Jugendnetzwerks, die sich zu den unterschiedlichen Glaubensrichtungen bekennen. Sie erzählten, warum ihr Glaube für sie wichtig ist und von ihren Erfahrungen als Angehörige dieser Gemeinschaften. Dabei erzählten die Teilnehmer:innen von positiven wie auch diskriminierenden Erfahrungen in Zusammenhang mit ihrem Glauben.
Eine Teilnehmerin sagte „Ich habe noch nie so einen Austausch erlebt. Jetzt lerne ich zum ersten Mal über die anderen. Ich sehe, dass es wenige Unterschiede zwischen uns gibt, aber viele Gemeinsamkeiten“. Viele unterstrichen dabei die Verantwortung der Einzelnen, um die interessengeleitete Instrumentalisierung von Religion zu thematisieren oder anzuprangern. Eine Teilnehmerin berichtete von der Erfahrung ihrer Gemeinschaft, die allein aufgrund ihres Glaubens verfolgt wurden und wiederholt Gewalt erlebt haben. Andere wiederum erzählten Geschichten, die durch Solidarität und Respekt geprägt waren. Ein Teilnehmer berichtete: „Der Respekt ist bei uns sehr wichtig gegenüber den anderen Religionen und wir kommen oft zusammen mit anderen Gemeinschaften und vereinen uns in Zeiten von Trauer und Freude.“
Im Laufe des Trainings war immer Raum für die Neugier der Teilnehmer:innen für Fragen. Nach jeder Sitzung gab es Leseempfehlungen und Links zu Berichten und Dokumentationen zu den einzelnen Religionen für die Teilnehmer:innen. Am Ende des Trainings blickten wir auf die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und gingen der Frage nach, wie ein friedliches Zusammenleben funktionieren könnte und erhielten einen Impuls über ein „Interreligiöses Gebet“, das in München gefeiert wird.
Mit diesem interreligiösen Projekt war es unser Ziel, die Vielfältigkeit des Denkens und Glaubens zu unterstützen und die gemeinsame Grundhaltung der Religionen für ein friedliches Zusammenleben herauszuarbeiten. Dadurch sollte ein Beitrag zum Frieden vor Ort geleistet werden durch Kenntnisse, Begegnung und das Gespräch zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens.
Das Training war ursprünglich im vergangenen Sommer für 9 Tage vor Ort geplant. Es wird jedoch nachgeholt, sobald es die Bestimmungen zu den Corona-Maßnahmen erlauben. So freuen wir uns nach diesem hoffnungsvollen Auftakt darauf, das Lernen mit Dr. Zangana über die Vielfalt der Religionen und den Austausch mit den jungen Teilnehmer:innen auf Augenhöhe fortzuführen.
Den ausführlichen Bericht von Atran Youkhana, Koordinator Naher Osten, finden Sie im Newsletter 2/2021.