Unter dem Titel „Kollektive Traumata - Kollektive Resilienz. Taugen therapeutische Konzepte für die Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte?“ haben wir erstmalig zu einer Fachkonferenz auf den Labenbachhof eingeladen. In Vorträgen, Denkräumen und Gesprächen näherten wir uns vom 23. bis 24. November diesem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven an. Prof. Angela Kühner betonte in ihrem Einführungsvortrag: „Aus sozialpsychologischer Sicht ist Trauma nie nur als eine individuelle Erfahrung zu verstehen - auch wenn es eine Erfahrung sein kann, die in sehr schmerzhafter Weise als trennend erlebt werden und einsam machen kann.“ In der Folge formulierte sie den Auftrag: „Wenn die individuelle Leiderfahrung nicht von kollektiv relevanten Ereignissen zu trennen ist, ist auch der Verarbeitungsprozess nicht vom kollektiven Umgang damit zu trennen.“
Nach diesen grundlegenden Überlegungen wurde das Thema von Dr. Cordula Reimann im Kontext der Friedensförderung beleuchtet und mit vielen praktischen Beispielen verbunden. „Friedens- und Dialogprojekte verstärken oft die Feindbilder und das Schwarz-Weiß-Denken, wenn die kollektiven Traumata nicht bearbeitet werden“, sagte sie und zeigte Ideen auf, wie dies gelingen kann. Die Impulse gaben viel Anregung zu Gesprächen im Plenum, in den Pausen und am gemeinsamen Abend.
Der zweite Tag wurde von Prof. Heiner Bielefeldt mit der Frage eröffnet: Gibt es ein Menschenrecht auf Wahrheit? „Menschenrechte sind Antworten auf strukturelles Unrecht“, betonte er. „Es geht dabei immer um menschliche Beziehungen.“ Es war spannend zu hören, dass das Recht auf Wahrheit ein Menschenrecht im Entstehen ist, das vor allem auf die Initiative von Menschen zurückgeht, deren Angehörige in Diktaturen Lateinamerikas verschleppt wurden.
In den Denkräumen stellten wir dann Projekte von Wings of Hope und unseren Partnern vor, die einen Beitrag zur Überwindung kollektiver Traumata leisten, wie das Jugendnetzwerk in Kurdistan-Irak oder die Arbeit mit jungen Menschen in Bosnien und Herzegowina. Azra Frlj von unserer bosnischen Partnerorganisation Progres sowie Dr. Hawre Zangana und Atran Youkhana berichteten sehr praxisnah von ihren Erfahrungen.
Am Ende der Konferenz betonten viele, dass es ein Einstieg in ein spannendes Thema gewesen sei und es noch viele Impulse und Ideen weiter zu vertiefen gäbe. Eine Teilnehmerin sagte mir beim Abschied: „Die Frage der kollektiven Traumata beschäftigt mich angesichts der Pandemie und der Kriege in letzter Zeit sehr. Ich sehe mit Sorge, wie sich all das auf unsere Gesellschaft auswirkt. Ich habe mich in letzter Zeit immer etwas allein damit gefühlt. Dieses gemeinsame Nachdenken und das Beleuchten aus so unterschiedlichen Blickwinkeln waren eine große Bereicherung und sehr inspirierend.“ Eine eindeutige Antwort auf die Frage im Titel der Konferenz haben wir nicht gefunden - aber viele Anregungen und Ideen.